Masterthesis

Kulturzentrum an der Theodosianischen Mauer in Istanbul

Betreuung durch Prof. Pasel und Prof. Misselwitz             Gruppenarbeit mit Eda Kayaalp

„Eine der ältesten Aufgaben in der Architektur ist, außer der Schaffung von Behausungen für die Individuen, die Gestaltung der Stelle, an der sich die Individuen, die in irgendeiner Weise geordnet zusammenleben, begegnen und miteinander kommunizieren. Die Bezeichnung für diese Stellen, die kultischen, kommerziellen, politischen, kulturellen, lebenserfreuenden Zwecken dienen sind vielfältig – Agora, Forum, Markt, Kirchplatz, Plazza, Piazza, Stadtkern, Herz der Stadt, City, Einkaufszentrum, Freizeitzentrum etc.“

Karsten Krüger-Heyden, Architektur Wettbewerbe Nr. 83, „Zentren der Begegnung/ Centers of Communication“, S. XIV


ORT DER BEGEGNUNG In der bevölkerungsreichsten Stadt der Türkei entsteht im Stadtteil Eyüp ein öffentliches Begegnungszentrum, welches durch Kommunikation und Gemeinschaft zur Weiterentwicklung und Identifikation des Stadtteils und zur erhöhten Wertschätzung der Theodosianischen Mauer beiträgt.

Fatih ist der Bezirk, in dem sich der älteste Stadtkern Istanbuls befindet. Die Theodosianische Mauer bildet die Trennlinie zwischen den Stadtteilen Eyüp und Fatih. Ayvansaray ist ein Quartier vom Bezirk Fatih, welches sich am nördlichen Ende der Mauer befindet. Die im 5. Jahrhundert errichtete 7 km lange Theodosianische Mauer ist eine mehr als 20 m hohe Stadtmauer und bot dem damaligen Konstantinopel (der heutige Bezirk Fatih) und dem Osmanischen Reich Schutz. Sie ist eine der erfolgreichsten und durchdachtesten Befestigungsanlagen und galt lange Zeit als unbezwingbar. Entlang der Landmauer führt eine Schnellstraße, von der aus Autofahrer einen flüchtigen Blick auf sie werfen können. Interessierte können sich die Mauer an den vielen Tordurchfahrten ansehen, durch die man in den historischen Stadtkern per Auto oder zu Fuß gelangt. Das ehemalige Kriegsgebiet in direkter Nähe der Mauer, sowie die Mauer selbst, sind 1985 durch die UNESCO zum Welterbe erklärt worden. Eine gute Anbindung durch Straßenbahn und Busse schafft eine schnelle Verbindung mit dem Altstadtzentrum. Eyüp ist durch eine nahegelegene Brücke, die über das Goldene Horn führt, mit dem nördlichen Teil Istanbuls verbunden und durch

eine Schnellstraße entlang der Mauer mit dem südlichen Teil der Halbinsel. Ayvansaray ist eine arme Gegend mit noch wenigen alten historischen Wohnhäusern in traditioneller Holzbauweise. Die meisten sind durch viele Brände in der Vergangenheit zerstört wurden. Überwiegend gibt es Häuser aus Stahlbeton, Stein und Lehmziegel. In der Nähe befindet sich das Kongresszentrum, Museen, viele alte Kirchen, die teilweise in Museen umgenutzt wurden, Kirchen, Synagogen, das ehemalige Anemas Gefängnis und das Messe- und Kulturzentrum.

 

PROBLEMATIK Lange Zeit verfiel die Mauer und die Anwohner nutzten sie als Steinbruch. In den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts wurde jedoch wieder Wert auf die Instandsetzung gelegt, dennoch gibt es viele Stellen, an denen die Landmauer als Schrottplatz und Unterkunft von Obdachlosen dient. Außerdem gibt es Müllverbrennungsecken, Parkplätze für Busse und Autos und Lagerstätten für Bauschutt und -materialien. Das kulturelle und archäologisch wertvolle Erbe wird nicht wertgeschätzt, indem es überbaut oder abgerissen wird. Da es eine sehr arme Gegend ist, sind viele Männer, aber vor allem Frauen ohne Arbeit und sie haben keine schulische Bildung, kümmern sich um Familie, Haus und Garten. Es fehlt ein Ort für gemeinschaftliche Projekte, Förderung von Kindern, Jugendlichen, Älteren sowie Touristen, damit Menschen aus allen Alters- und Kulturgruppen durch ihr Dasein den Ort beleben.




Lageplan

GRUNDSTÜCK Das Grundstück befindet sich im Bezirk Eyüp, und erstreckt sich mit einer Breite von ca. 60 m und einer Länge von ca. 500 m und wird auf der östlichen Seite von der Mauer und auf der anderen Seite von einem Armenischen Friedhof gefasst. Der Friedhof und das Grundstück werden am südlichen Ende von einer großen Straßenkreuzung Edirnekapi begrenzt. Über die Fevzi Pasa Straße gelangt man schnell zur Spitze der historischen Halbinsel.

An der nördlichen Spitze knickt das Grundstück etwas ab und liegt direkt benachbart zum Tekfur Palast, welcher das einzige bedeutende Beispiel der weltlichen byzantinischen Architektur Konstantinopels ist, das bis heute erhalten blieb. Das Gemeinschaftszentrum wird eine zentrale Rolle in der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung des Stadtteils spielen und die Menschen bewusst werden lassen, dass sie in einer kulturell wertvollen und erhaltenswerten Umgebung leben.


Konzept und Querschnitt

Gebäudekonzept und Laufwege durch das Gebäude

„Die Basis jeder Form von Gemeinschaftsbildung sind soziale Kontakte. Sie entstehen dort, wo Menschen sich treffen und Menschen treffen sich dort, wo Wege sich kreuzen.“

Karsten Krüger-Heyden, Architektur Wettbewerbe Nr. 83, „Zentren der Begegnung/ Centers of Communication“, S. XIV

Ziel des Entwurfes ist es, durch eine flexible und wandlungsfähige Architektur ein Gemeinschaftszentrum zu planen und einen Aufenthaltsraum zu schaffen. Multifunktionale Räume erzeugen eine hohe Flexibilität innerhalb des Gebäudes, für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen, die aus allen Alters- und Berufsgruppen stammen, für die Bewohner sowie die Besucher von Eyüp.
Wegkreuzungen schaffen Treff- und Aufenthaltspunkte. Offenheit und Sichtbeziehungen stellen einen Dialog zwischen der Stadt und der Mauer, dem Innen- und Außenraum und Plätzen und Laufwegen her. Dadurch entsteht eine kommunikative Umgebung. Das neue Gebäude dringt nicht aggressiv als Solitär in das Stadtviertel ein, sondern fügt sich behutsam in die Stadtstruktur ein und geht sensibel mit den Menschen um, sodass sie es annehmen und eine offene und kommunikative Symbiose entsteht. Aus diesem Grund werden einheimische Materialien verwendet. Das Gemeinschaftszentrum ist die erste Anlaufstelle für Besucher an diesem Ort, von dem aus auch der Informationsweg entlang der Mauer beginnt.

Die Menschen können sich über dieses wichtige Kulturerbe und Denkmal informieren. Die Wertschätzung der Mauer wird wiederhergestellt und die Leute haben einen Ort, an dem sie sich weiterbilden, ihre Freizeit gestalten können und es entsteht ein Anziehungspunkt für Besucher.
Soziale Projekte, wie zum Beispiel Theater-, Kunst- und Musikgruppen bringen die Menschen in das Gemeinschaftszentrum und fördern die Kommunikation. Ateliers, eine Bibliothek, ein Theaterraum, Veranstaltungs-, Ausstellungs-, Lehr- und Jugendräume sollen miteinander verflochten werden. Es entstehen private, halb-öffentliche und öffentliche Räume, die mit dem Innen- und Außenraum sowie den Treffpunkten verschmelzen und dabei nie ihre Flexibilität und Beziehung zueinander verlieren.
Die Architektur des Gemeinschaftszentrums leistet einen Beitrag dazu, dass die Menschen, Bewohner sowie Touristen, zueinander kommen, da bleiben, voneinander profitieren und lernen –den Ort wiederbeleben.


Längsschnitt

Längsansicht

Außenperspektiven

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